Im Moment predige ich durch den Philipperbrief. (Falls jemand an den Ergebnissen interessiert ist, findet ihr es hier.) Dementsprechend lebe und atme ich im Moment mit dem Philipperbrief.

Zurzeit bin ich beim Christus-Hymnus angelangt und werde wohl immer wieder einige Sachen posten, die mir in der Exegese aufgefallen sind. Allerdings wird wohl kein Kommentar zum Christus-Hymnus vollständig, wenn man zu Beginn nicht bekennt, dass man nicht geschafft, alle vorhandene Literatur dazu durchschauen.

Die Übersetzung von αρπαγμος gestaltet sich schwieriger als Anfangs gedacht. Das Substantiv kommt im Profan-Griechischen nur sehr selten vor und in der LXX ist es gar nicht vertreten. Die Profan-Griechische Übersetzung das Rauben kommt in Phil 2,6 wohl nicht in Betracht.

N.T. Wright hat in seinem Artikel mehr als 20 Versuche aufgelistet, um dieses Problem zu lösen (Wright, N.T., 'αρπαγμος and the meaning of Philippians 2:5-11', JTS 37 (1986), p. 321-352). Nicht zuletzt durch seine Untersuchung wurde deutlich, dass man einem einzelnen Wort nicht zuviel Bedeutung geben sollte, sondern den Vers im gesamten Kontext übersetzen sollte.

Im Folgenden möchte ich drei der meist bedeutendsten Varianten vorstellen:


  1. Lightfoot verstand αρπαγμος als Preis oder Schatz und somit bezieht sich der Vers nicht auf Christus' Majestät, sondern auf seine Herablassung. Er hielt also nicht an dem Rank und den Privilegien, die er in der 'göttlichen Gestalt' hatte, gierig fest. 'He did not treat His equality with God as a prize, a treasure to be greedily clutched' (Lightfoot, J.B., in O'Brien, P.T., Philippians, S. 212 n. 48 ) Wobei es Lightfoot wichtig war, dass Christus nicht seine Göttlichkeit aufgab, aber die Privilegien.

  2. R. P. Martins Auslegung war relative einflussreich für die Exegese von Philipper 2,5-11 (Martin, R.P., Carmen Christi). Seiner Meinung ist αρπαγμος passiv zu verstehen. Christus war Gott gleich in der göttlichen Gestalt, aber er nutzte dies nicht zu seinem eigenen Nutzen. Nach Martins Ansicht hat Christus nicht den Status des 'cosmocrator' besessen und hat auch nicht versucht, diesen zu ergreifen. Jesus war Göttlich auf Grund der 'göttlichen Gestalt', allerdings war er noch nicht der Herrscher der Welt. Dieser Versuch wurde auf Grund von einigen Punkten kritisiert und m.E. stellt sich die Frage, wie man plausibel aus dem Text heraus eine Trennung zwischen der 'göttlichen Gestalt' und dem Weltherrscher machen kann.

  3. Ein neuerer Übersetzungsversuch, der heute viel Beachtung findet, stammt von C.F.D. Moule und R.V. Hoover. Dabei muss αρπαγμος aktiv verstanden werden in dem Sinn von Raub. 'Anstatt das Christus durch seine Gottähnlichkeit bekam, bedeutete es, dass er gab.' (O'Brien, P. Philippians, S. 213) Weiterhin sollte nach Moule V. 6 nicht als Konzessiv- sondern als Kausalsatz verstanden werden: 'Gerade weil Christus in 'göttlicher Gestalt' war, verstand er die Gleichheit mit Gott nicht als eine Sache wovon er Vorzüge hat, sondern als Selbstaufgabe.'


Hoover (Hoover, 'The HARPAGMOS Enigma: A philological solution', HTR 64 (1971), p. 95-119)) war es, der Moules Auslegung auf Grund von linguistischen Hilfsmitteln verfeinerte. Seiner Meinung darf sich die Auslegung nicht nur auf das einzelne Wort beschränken, sondern V. 6 ist viel mehr als eine Redewendung zu verstehen. Seiner Meinung würde die Übersetzung von Moule sowohl mit dem Kontext von Philipper als auch im Vergleich mit anderer Literatur übereinstimmen. Zumal diese Aussage hervorragend zu Aussagen wie z.B. Röm 15,3 oder 2. Kor. 8,9 passt. Hoover schließt: 'in every instance which I have examined this idiomatic expression refers to something already present and at one' disposal. The question ... is not whether one possesses something, but whether or not one chooses to exploit something.' (Hoover, 'HARPAGMOS', p. 118 ) Und Moules Schlusssatz eignet sich auch hervorragend diesen Post zu beenden: 'The pre-existent son regarded equality with God not as excusing him from the task of (redemptive) suffering and death, but actually as uniquely qualifying him for that vocation.' (in Wright, αρπαγμος, S.345)


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