Auf dem Hintergrund der Zerstörung Jerusalems und des Tempels 70 n. Chr. entstand das rabbinische Judentum. "Statt des Tempels war es jetzt das Leben nach der Tora, das religiöse Identität stiftete..." (:194, aus F. Avemarie, "Die Formierung des rabbinischen Judentums", 2004 in NTAK, S. 194-8). Die legendarische Erzählung berichtet von Rabban Jochanan ben Zakkai, der in Iamnia (Javne) diese Gemeinschaft begründet. Allerdings bestreitet Avemarie die "Annahme, dass auf einer 'Synode von Iamnia (Javne)' der 24 Bücher umfassende rabbinische Bibelkanon festgelegt wurde" (:195).
Nach dem Aufstand Bar Kochbas (132-135 n. Chr.) verlagerte sich der Schwerpunkt rabbinischen Gemeinwesens auf Galiläa (:196). Ein halbes Jh. später erlebte das Judentum unter Leitung von R. Jehuda ha-Nasi eine neue Blüte, indem die Mischna (Sammlung halachischer Lehrentscheide, meist aus der Zeit nach 70 n. Chr.) herausgegeben wurde (:196).
"Obwohl die rabbinische Literatur ein Kollektivprodukt ist - Schriften individueller Gelehrter kommen erst im Mittelalter auf -, sind doch die Kultur und die Gesellschaft, die sich in dieser Literatur spiegeln, nicht homogen" (:197).
Die wichtigsten rabbinischen Texte sind: "Mischna, Tosefta, Jerusalemer und babylonischer Talmud (...), den Midraschim (rabbinische Kommentare zu den alttestamentlichen Büchern) und den Targumim (aramäische, z. T. stark paraphrasierende Übersetzungen derselben)" (:178, aus R. Daines, "Historische Analyse I: Die jüdische Mitwelt", 2000 in Neudorfer / Schnabel, Das Studium des Neuen Testaments, Bd. 1, S. 155-91). Sie enthalten unentbehrliche Traditionen, die in die Zeit vor der Tempelzerstörung zurückreichen und damit für das Verständnis des NT wesentlich sind (vgl. :178). Es ist jedoch in der ntl. Forschung umstritten, wie methodisch sachgerecht die entsprechenden Traditionen herausgearbeitet werden können.
Eine praktische Umsetzung versucht David Instone-Brewer, "Rabbinic Teaching: Increasing Grounds for Divorce", 2002 in Divorce and Remarriage in the Bible, S. 85-132.